Alle beteiligten PanelistInnen waren sich einig, der Oktober und hier besonders den 9. Oktober war der entscheidende Tag für die DDR im Herbst 1989. Zeitzeugin Dr. Angela Kunze-Beiküfner berichtete, wie sie als 25jährge ab Anfang Oktober fastend und betend in der Berliner Gethsemanekirche saß und erlebte, wie die Kirche am 7. und 8. 10. von der Polizei umstellt und Hunderte verhaftet wurden, und wie sich die Polizei am 9.10. plötzlich zurückzog, war der Zeitzeuge Dr. Eberhard Bürger im ländlichen Raum in der Nähe von Torgau Pfarrer.
Dort begannen die Friedensgebete mit anschließendem offenen Mikrofon Ende Oktober, dafür ging es dann sehr schnell mit den Runden Tischen und den Veränderungen vor Ort, weil wichtige Entscheidungen jetzt von engagierten VolksvertreterInnen getroffen wurden. Beide Zeitzeugen erinnerten sich auch an ihre Enttäuschung über das Wahlergebnis für die Bürgerbewegungen in Bündnis 90, bei den ersten und einzigen freien (und vorgezogenen) Volkskammerwahlen am 18.3. 1990. Die Bürgerbewegungen erhielten als einzige keine Unterstützung von den westdeutschen Parteien und erhielten nur 2,9% der Stimmen (CDU bzw. Allianz für Deutschland 48%). Die Geschichtsdozentin Dr. Steffi Kaltenborn, die zu DDR-Zeiten Geschichte und Russisch studierte hatte, stellte die Ereignisse im Oktober 89 in einen größeren geschichtlichen Zusammenhang und ergänzte mit spannenden Informationen und Beobachtungen die Zeitzeugenberichte. Dr. Susan Frisch, Leiterin der Gedenkstätte Marienborn, berichtete von ihrer Forschungsarbeit zur Erinnerungskultur und darüber, wie sich der Begriff „Friedliche Revolution“ und der 9. Oktober als „Tag der Entscheidung“ allmählich etabliert hat und wie wenig differenziert oft in der Öffentlichkeit und auch im Schulunterricht der ganze Prozess von Oktober 1989 bis Oktober 1990 dargestellt wird. Der Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Johannes Beleites ergänzte aus seiner Perspektive, als Zeitzeuge hatte er die Montagsgebete in Leipzig fotografisch dokumentiert, als Behördenleiter analysierte er die aktuellen Herausforderungen auch im Hinblick auf die Erwartungen an die Demokratie von den Menschen in Ostdeutschland. Mehrere Personen aus dem Plenum ergänzten das Gespräch mit Hinweisen z.B. zur Entstehung der Naturschutzgebiete kurz vor dem 3. Oktober 1990 und der Rolle der Frauen z.B. bei der Auflösung der Stasi-Zentralen. Die angeregten Gespräche gingen beim anschließenden Essen in der ESG weiter – es war ein sehr interessanter und anregender Abend.